Freitag, 18. Oktober 2013

Kunst im Stellwerk - Monika Supé

Kuh - Monika Supé (2012)
"Das Nichts zwischen den Linien"

Seestraße 5
86911 Diessen am Ammersee

Eine faszinierende Ausstellung der promovierten Architektin Monika Supé bietet das Atelier im Stellwerk in Diessen. Wie einst Michelangelo aus einem Marmorblock förmlich seine Figuren befreite, so befreit Monika Supé die Linien schrittweise aus ihrer Zweidimensionalität. Sie beschäftigt sich dabei vorwiegend mit der Form von Kühen.


Abgeschieden im österreichischen Fieberbrunn fertigt die Künstlerin im ersten Arbeitsschritt ihrer Naturstudien sehr viele Minimalskizzen an, wobei Kühe bewußt auf Umrißlinien und ihre markanten Einzelmerkmale reduziert werden.


Es schließen sich sodann Detailstudien an, um den organischen Körper einer Kuh zu begreifen. Diese Studien dauern so lange an bis die Künstlerin den Körper einer Kuh im Raum vollkommen visuell verinnerlicht, d.h. bis sie eine ganz bestimmte Kuh mit ihren eigentümlichen Merkmalen gänzlich frei aus dem Gedächtnis zeichnen kann. Ihre Detailstudien stellt die Künstlerin in einem dicken Holzrahmen aus, um die räumliche Tiefe darin erneut zu verstärken.


Mit dem Titel "Das Nichts zwischen den Linien" erforscht die Künstlerin nun den Raum. Sie stellt sich dabei die Frage wie die Gestalt eines dreidimensionalen Objekts auf ein Minimum reduziert werden kann. Dabei nutzt sie den Vorteil, dass das menschliche Gehirn die fehlende Information automatisch hinzufügt und das Objekt schließlich, wie hier als eine Kuh, begreift. Und eben dieser dritte, künstlerische Zwischenschritt überrascht mit ihrer Neuartigkeit. Denn Monika Supé modelliert nun die Linien als Drahtstücke aus der Leinwand heraus, sodass nur deren Schattenwurf den Umriß der Kuh auf der Leinwand hinterläßt.
   Am liebstenwürde die Künstlerin den Ausstellungsraum ganz und gar abdunkeln und den Besuchern Taschenlampen anbieten, damit sie auf Entdeckungsreise gehen. Die Besucher sollten somit selbst herauszufinden welche Figuren sich hinter ihren Drahtkunstwerken verbergen.


Der letzte Arbeitsschritt ist die Umsetzung einer Kuhfigur aus Draht im Raum, wobei nunmehr die künstlerische Reduktion der Gestalt im Mittelpunkt der Arbeiten steht. Philosophisch hinterfrägt sie ab wann eine räumliche Gestalt eine Bedeutung gewinnt, um erkannt und als "Kuh" benannt zu werden. Ist die voluminöse Kuhgestalt, die Kuhhaut oder das Medium das die Kuh umgibt verantwortlich dafür, das man von einer Kuh spricht und wo liegt eigentlich der Übergang ? Wann fängt also die Kuh an bzw. hört die Kuh auf eine Kuh zu sein ? Dieser letzten Frage geht die Künstlerin mit dem Schattenspiel ihrer Drahtfiguren nach. Der Schatten scheint hierbei interessanterweise einige fehlende Querverbindungen zu ergänzen oder der Kuh gar ihr Körpervolumen zu geben. Ohne Schatten gibt es also in der Kunst keinen dreidimensionalen Körper.


Zur Zeit arbeitet die Künstlerin Monika Supé daran eine zweite Haut aus Drahtgeflecht regelrecht zu häckeln. Sie verdichtet somit den äußeren Raumkörper, der die Kuh umgibt worin die Kuhgestalt sozusagen gefangen ist. Auch menschliche Drahtgeflechte in Pulloverform hat die Künstlerin bereits angefertigt, die von Besuchern angezogen werden können, um ein ergonomisches Empfinden der eigenen zweiten Haut an sich selbst zu erfahren.